Augsburg 06052019bCUT2

[DE/EN] Donauwörth police attack – Trial report of 6 May 2019 in Augsburg, Germany

// DEUTSCH UNTEN //

Police witness admits: Biased, sub-standard methods to identify “perpetrators” used in the Donauwörth raid

Trial report by Culture of Deportation & Justizwatch

The Gambian asylum seeker Sam D. was arrested on March 14, 2018 during a police raid in the Donauwörth first reception camp in Bavaria. He later received an order of punishment (Strafbefehl) for ‘breach of public peace’ (Landfriedensbruch). He was accused of having, together with others, prevented the search for a deportee in the night before the arrest. In court Sam D. decisively rejected the accusations: He had not left his room that night. D.’s roommate at the time confirmed these statements in his witness statement. Already on 7th November 2018 the Augsburg local court established in that no violent prevention of deportation had taken place in the night of March 14, 2018.

Three other witnesses, a social worker, a security guard and a police commissioner (POK), all present at the Donauwörth first reception camp on the night of March 14, 2018, could not confirm the allegations against D. Neither during the trial nor immediately after the raid were they able to recognise Sam D. as an alleged perpetrator.  

The questioning of the detective chief superintendent (KHK) responsible for the Donauwörth case was however revealing. He reported in detail on what had already been suggested in the trial against two other Gambians in November 2018: The identification of the 30 alleged perpetrators who were arrested during the raid in the afternoon in no way corresponded to the guidelines for the criminal proceedings (Richtlinien für das Strafverfahren).These state that a valid identification of offenders must be based on a 1:8 ratio of election pictures. For each photo of a suspect, witnesses must be presented with eight additional pictures of similar-looking persons.

Instead, the thirty suspects in Donauwörth were selected by a single security guard. The police arrested the selected persons and photographed them. These pictures were then presented to the same security guard and other witnesses for identification. The thirty persons spent two months in custody and were later found guilty by the Augsburg local court.

In response to the defense attorney’s question as to why the standard identification with the selection of photographs had not been used, the superintendent replied that this had not been organisationally possible nor feasible. Concerning asylum seekers, criminal justice authorities thus seem to assume, that fundamental rights of the accused can be neglected.

The usual translation problems were particularly severe in this trial: the Mandinka-German interpreter spoke neither German nor Mandinka fluently. According to trial observers who were native speakers of Mandinka, his translation was completely incomprehensible. After questioning the first witnesses, there were protests against the translation by the trial observers and participants. The interpreter then stopped translating completely. The judge was however not disturbed by the fact that the defendant had no idea about what was going on in the courtroom.

Since the prosecution’s main witnesses did not appear – without announcing their absence –  the trial was suspended after about two hours.

At the end of the hearing, a court official forced two trial observers to destroy their notes. He claimed that the judge would not allow them to publish the detective chief superintendent’s statement word-for-word because they were not from the press. As the official became increasingly aggressive, the two observers tore up their notes and handed him the shreds – an act of intimidation against independent trial observers, obviously intended to prevent critical reporting!

There was again great solidarity with the defendant: around 30 trial observers and supporters took part in a rally before the court, about 20 of whom were able to follow the trial in the full courtroom.

As soon as known when trial will be continue, we will inform you about further trial dates.

More information:

Call for solidarity – Donauwörth police attack: Next trial May 6, 2018 Augsburg

Auruf – Donauwörth Polizeiangriff: Nächster Prozesstermin 6. Mai in Augsburg

Aufruf für Prozessbeginn am 7.11.2018 in Augsburg

Call for solidarity at beginning of trials, November 7, 2018 in Augsburg

 

Donauwörth Polizeiangriff – Prozessbericht aus Augsburg vom 6. Mai 2019

Polizeizeuge räumt ein: Bei Donauwörth-Razzia wurden „Täter“ durch einseitige und unzureichende Methoden identifiziert

Prozessbericht von Culture of Deportation & Justizwatch

Der gambische Asylsuchende Sam D. wurde am 14. März 2018 bei einer Polizeirazzia im Erstaufnahmelager in Donauwörth verhaftet. Ihm wurde später ein Strafbefehl wegen Landfriedensbruchs zugestellt.  Er soll in der Nacht vor der Festnahme gemeinsam mit anderen die Suche nach einem Abzuschiebenden verhindert haben. Im Prozess wies Sam D. die Vorwürfe entschieden zurück: Er habe in der genannten Nacht sein Zimmer nicht verlassen. D.s damaliger Mitbewohner, der als Zeuge befragt wurde, bestätigte diese Angaben. Das Amtsgericht Augsburg hatte bereits am 7.11.2018 festgestellt, dass es in der Nacht zum 14.3.2018 keine gewaltsame Verhinderung einer Abschiebung gab.

Drei weitere Zeugen, ein Sozialarbeiter, ein Wachmann und ein Polizeioberkommissar (POK), die alle in der Nacht zum 14. März 2018 im Erstaufnahmelager Donauwörth anwesend waren, konnten die Vorwürfe gegen D. nicht bestätigen. Weder im Prozess, noch unmittelbar nach der Razzia waren sie in der Lage, Sam D. als vermeintlichen Täter wiederzuerkennen.

Aufschlussreich war hingegen die Befragung des für die Ermittlungen im Fall Donauwörth zuständigen Kriminalhauptkommissars (KHK). Er berichtete ausführlich über das, was sich bereits im Prozess gegen zwei weitere Gambier im November 2018 angedeutet hatte: Die Identifizierung der 30 vermeintlichen Täter, die bei der Razzia am Nachmittag verhaftet wurden, entsprach in keiner Weise den Vorgaben der Richtlinien für das Strafverfahren. Diese besagen, dass eine gültige Identifizierung von Straftätern auf einer Wahlichtbildvorlage im Verhältnis 1:8 basieren muss. Pro Foto eines Verdächtigen müssen Zeug*innen acht weitere Bilder ähnlich aussehender Personen vorgelegt werden.

Stattdessen wurden die dreißig Verdächtigen in Donauwörth von einer einzigen Wachdienstmitarbeiterin ausgewählt. Die Polizei verhaftete die ausgewählten Personen und fotografierte sie. Diese Fotos wurden daraufhin derselben Wachdienstmitarbeiterin und weiteren Zeug*innen zur Identifizierung vorgelegt. Die dreißig Personen verbrachten in der Folge zwei Monate in Untersuchungshaft und wurden später vom Amtsgericht Augsburg für schuldig befunden.

Auf die Frage des Verteidigers, warum nicht die Standard-Identifikation mit Lichtbildvorlage verwendet wurde, antwortete der Zeuge, das sei organisatorisch nicht möglich und nicht machbar gewesen. Wenn es um Geflüchtete geht, können grundlegende Rechte von Beschuldigten aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden offenbar vernachlässigt werden.

Die üblichen Schwierigkeiten bei der Übersetzung waren an diesem Verhandlungstag besonders krass: Der Mandinka-Deutsch-Übersetzer sprach weder fließend Deutsch noch Mandinka. Laut Prozessbeobachter*innen mit Mandinka als Muttersprache war seine Übersetzung völlig unverständlich. Nach Befragung der ersten Zeugen kam es zu Protesten gegen die Übersetzung durch Prozessbeobachter*innen und -beteiligte. Danach hörte der Dolmetscher vollständig auf zu übersetzen. Die Richterin ließ sich jedoch nicht durch die Tatsache beeinflussen, dass der Angeklagte keine Ahnung davon hatte, was im Gerichtssaal vor sich ging.

Da die Hauptbelastungszeugen der Staatsanwaltschaft unangekündigt nicht erschienen, wurde der Prozess nach etwa zwei Stunden ausgesetzt.

Am Ende der Anhörung zwang ein Justizbeamter zwei Prozessbeobachter*innen, ihre Notizen zu vernichten. Er behauptete, die Richterin werde nicht zulassen, dass sie wörtlich die Erklärung des Kriminalhauptkommissars veröffentlichten, weil sie nicht von der Presse seien. Nachdem der Justizbeamte immer aggressiver wurde, zerrissen die Beobachter*innen ihre Notizen und übergaben ihm die Fetzen – ein klarer Einschüchterungsversuch, um eine kritische Berichterstattung zu verhindern.

Die Solidarität mit dem Angeklagten war groß: Rund 30 Prozessbeobachter*innen und Unterstützer*innen nahmen an einer Kundgebung vor dem Gericht teil, ca. 20 von ihnen konnten die Verhandlung im vollen Gerichtssaal verfolgen.

Wann der Prozess fortgesetzt wird, ist momentan unklar. Wir werden rechtzeitig über weitere Prozesstermine informieren.

Mehr Informationen:

Aufruf – Donauwörth Polizeiangriff: Nächster Prozesstermin 6. Mai in Augsburg

Call – Donauwörth police attack: Next trial May 6 in Augsburg

Aufruf für Prozessbeginn am 7.11.2018 in Augsburg

Call for solidarity at beginning of trials, November 7, 2018 in Augsburg